Donnerstag, 27. März 2008

Die LIDL-Moral.

Die Meldungen dieser Woche dominiert LIDL mit seiner herzahften Mitarbeiter-Überwachungsaktion. Man hatte Detektive angeheuert, um die eigenen Mitarbeiter mal so richtig auszuspionieren. Dass es in Deutschland so etwas wie den Schutz der Privatsphäre gibt juckt die großen Politiker schon nicht so wirklich, und wenn die das nicht tun, warum wir? fragte sich LIDL wohl und schritt zur Tat.

Und es verwundert nicht, dass ausgerechnet LIDL mit solch rabiaten Methoden voranschreitet. Wobei voranschreiten auch schon verharmlosend ist und ziemlich an der Sache vorbei geht, agiert LIDL doch schon jahrelang derartig. Es gehört einfach zur LIDL-Unternehmenskultur dazu. Schon im Jahre 2005 konnte man zu den Arbeitsbedingnungen bei LIDL folgendes lesen: "Der Discounter, so das Schwarz Buch, verhindere systematisch die Gründung von Betriebsräten - misstrauische Vorgesetzte, zu Mobbing-Experten dressiert, würden auf der Suche nach Diebesgut die Spinde der Kassiererinnen aufbrechen - Kameras seien in den Filialen aufgestellt, um die Mitarbeiter zu kontrollieren." (Quelle: Zeit.de). Oder wie wäre es damit: " Gnadenlose Arbeitshetze, chronische Unterbesetzung, geringe Einkommen, Druck und schikanöse Kontrollen prägen den europäischen Lidl-Arbeitsalltag" (Quelle: Zeit.de) Oder das: "Erzeugt wird eine Atmosphäre der Angst: Eine Verkäuferin aus Bremen berichtet, aus Furcht vor Kündigung mit hohem Fieber so lange im Laden gestanden zu haben, bis sie zusammenbrach. Lidl will sich zu einzelnen Vorwürfen nicht äußern." (Quelle: Zeit.de) Oder die Geschichte der LIDL-Filiale in Calw. Dort wurden alle Mitarbeiter gefeuert, weil sie in die Gewerkschaft eingetreten sind. (Quelle: Zeit.de) LIDL kann Mobbing auch anders: "Auch aus tschechischen Filialen erfahren wir Unschönes. Stirnbänder gebe es dort für Kassiererinnen, die damit während ihrer Menstruation ohne besondere Erlaubnis die Toilette aufsuchen dürfen.[...] Und wenn Lidl einen Mitarbeiter rausschmeißen will – etwa, weil er zu teuer geworden ist oder einen Betriebsrat gründen will –, dann werden regelrechte Kreuzverhöre durchgeführt. Die Leute werden so lange traktiert, bis sie einen Aufhebungsvertrag ihrer Beschäftigung unterschreiben. Das sind keine Einzelfälle. Das sind die Betriebsstrukturen des Konzerns."(Quelle: Zeit.de)

Wer ist eigentlich ernsthaft so bescheuert und glaubt, nach der ganzen Vorgeschichte, im aktuellen Fall die von LIDL verbreitete Wir sind doch total unschuldig-Propaganda ("[...] offensichtlich übereifrige Detektive über ihren Auftrag hinaus uns mit Informationen versorgt haben, die wir so nicht wollten [...] Wenn solche Protokolle geschrieben wurden, habe dazu keine Erwartung und kein Auftrag von der Geschäftsleitung vorgelegen [...]) (Quelle: Netzeitung.de)

Ach ja, erinnert sich noch jemand an folgende Vorwürfe: LIDL umgehe das Baurecht und habe größere Filialen als genehmigt gebaut und so Kommunen um berechtigte Einnahmen gebracht? (Quelle: Zeit.de) Oder an die Aktion, als das Greenpeace-Magazin die Qualität der LIDL-Waren kritisierte, wenig später aber lobte und das Greenpeace-Magazin nun auch von LIDL vertrieben wurde? (Quelle: Spiegel.de)

Dass nun, nach all den schon bekannten Vorkommnissen das aktuelle Vergehen ein so großer Skandal ist - sei´s drum. Das Problem bei LIDL ist nicht die Wurzel (die Mitarbeiter) sondern die Blüte (ganz oben): dort sitzen einfach Menschen, die den moralischen Verpflichtungen ihrer Position nicht genügen. Menschen, die die eigenen Mitarbeiter nicht als Individuen, sondern bestenfalls als minderwertige Arbeitssklaven ansehen. Menschen, denen Gesetze nur solange etwas bedeuten, wie sie zum eigenen Vorteil sind. Wenn nicht, dann beachte man sie halt nicht. Menschen, denen das Wort "Gemeinschaft" oder auch "Sozialstaat" ein Graus ist.

Lächerlich sind auch die dilettantischen Ausreden der LIDL-Propagandabeauftragten. Hat man ja alles nicht so gewollt, usw. Da mehreren Nachrichtenmagazinen hunderte Seiten von Überwachungsprotokollen vorliegen ist die Sachlage ziemlich klar. Die mit der Überwachung beauftragen Detekteien haben wohl kaum umsonst gearbeitet, und wenn sie bezahlt worden sind, dann muss es jemanden geben, der diese Dienstleistung als so wichtig ansah, dass er dafür eine gewisse Summe aufwenden wollte. Und da man Geld nicht mal "einfach so" ausgibt, sondern immer ein konkretes Ziel im Sinne hat muss man einfach davon ausgehen, dass erstens die Bespitzelungs-aktionen von LIDL gewollt und geplant waren und dass zweitens die nun vorgebrachten Entschuldigungen und Ausreden die Niederträchtigkeit und Morallosigkeit der LIDL-Manager nur noch einmal unterstreichen.

Wobei, bei ernsthafter Überlegung dieses Problem nicht nur ein LIDL-Problem ist, sondern ein Kapitalismus-Problem. Über LIDL allerdings gibt es eine eigene desöfteren aktualisierte und gut gefüllte Seite mit Verfehlungen des Unternehmens.

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Frei Schnauze

"Nach uns die Sintflut ist der Wahlspruch jedes Kapitalisten und jeder Kapitalistennation." - Das Kapital. Band 1. Zweiter Abschnitt, Achtes Kapitel

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